Robert I. Sutton: Der Arschoch-Faktor (2007)
(Vom geschickten Umgang mit Aufschneidern, Intriganten und Despoten im Unternehmen)
Robert I. Sutton (geboren 1954 in Chicago) ist Professor an der Stanford Business School. Er berät viele internationale Unternehmen und veröffentlicht regelmäßig populärwissenschaftliche Bücher.
In dem Buch Der Arschloch-Faktor (im Original: The No Asshole Rule) beschäftigt sich Sutton mit aggressiven Mitarbeitern in Unternehmen, die es in wettbewerbs-orientierten Arbeitskulturen häufig zu Führungspositionen bringen.
Die übergreifende Botschaft des Buchs lautet etwa:
Unternehmen tun sich selbst und ihren Mitarbeitern einen großen Gefallen, kein arschlochhaftes Verhalten zu tolerieren. Sie sollten konsequent eine „Keine Arschlöcher“-Regel umsetzen, denn damit erhöhen sie Arbeitszufriedenheit, Produktivität und Loyalität aller Mitarbeiter.
In seinem Buch stellt er diese Überzeugung ausführlich dar und ergänzt seine Überlegungen mit vielen Beispielen aus seiner Arbeit als Unternehmensberater. Im Folgenden werden die zentralen Aussagen des Buchs vorgestellt.
(1) Arschlöcher sind Menschen, die andere konsequent verletzen und demütigen, besonders Personen von niedrigerem Status.
Wir alle haben hin und wieder schlechte Tage und benehmen uns wie Arschlöcher. Jeder von uns ist gelegentlich ein temporäres Arschloch.
Amtliche Arschlöcher, wie der Autor es fasst, zeichnen sich jedoch durch durchgängige Verhaltensmuster aus, die kein Ausdruck schlechter Laune oder eines vorübergehenden Zustands sind, sondern ihres allgemeinen Charakters.
Diese Verhaltensmuster bestehen vor allem aus psychischen Misshandlungen und feindseligem Verhalten auf verbaler und non-verbaler Ebene. Arschlöcher versetzen ihre Opfer regelmäßig in Wut, verletzen und demütigen sie.
Am Arbeitsplatz kann sich das in sehr unterschiedlichen konkreten Handlungen widerspiegeln, wie z.B.:
- Unterbrechen beim Reden,
- Verletzen der Privatsphäre,
- Beleidigungen und Einschüchterungen,
- öffentliche Demütigungen,
- Anstarren oder wie Luft Behandeln.
Besonders ausgeprägtes Arschlochtum funktioniert oft nach dem sogenannten Radfahrerprinzip („nach oben buckeln, nach unten treten“): Amtliche Arschlöcher benehmen sich häufig vorbildlich, wenn sie es mit Vorgesetzten oder Kunden zu tun haben, dafür um so schlimmer, wenn sie mit Untergebenen interagieren, oder allgemein mit Menschen von niedrigerem Status.
Allgemein lässt sich sagen:
Arschlöcher sind Menschen, die andere konsequent verletzen und demütigen, besonders Personen von niedrigerem Status.
(2) Arschlöcher richten in ihren Unternehmen einen enormen Schaden an, insbesondere wenn sie in Führungspositionen gelangen.
Viele Unternehmen tolerieren Gemeinheit am Arbeitsplatz, ohne zu ahnen, welche Schaden sie sich damit aufbürden.
In Unternehmen, in denen Arschlöcher am Werk sind, besonders wenn dies Führungskräfte sind, ist die Arbeitszufriedenheit deutlich niedriger als in Unternehmen, in denen freundlich und respektvoll miteinander umgegangen wird.
Das hat enorme Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit eines Unternehmens.
Mitarbeiter mit niedriger Arbeitszufriedenheit kündigen eher, sind häufiger krank und allgemein unproduktiver. Sie nehmen jede Gelegenheit wahr, der Arbeit fernzubleiben und stehlen auch häufiger, um sich für die erlittenen Qualen zu rächen.
Besonders die kleinen Gemeinheiten am Arbeitsplatz rauben Energie und untergraben die Leistungsfähigkeit einer Organisation. Arschlöcher ziehen ihren Kollegen und Mitarbeitern konsequent Energie ab. Das gilt nicht nur für die Opfer ihres Verhaltens, sondern auch für unbeteiligte Zuschauer.
Besonders schlimm sind Arschlöcher als Vorgesetzte. Ihre Untergebenen arbeiten in permanenter Angst vor Erniedrigungen und verwenden ihre Energie nicht darauf, ihre eigentliche Arbeit gut zu machen, sondern vor allem darauf, die Erniedrigungen zu vermeiden.
Die kumulierten Gesamtkosten, die ein Unternehmen zu tragen hat, das Arschlöcher toleriert, sind enorm. Besonders, weil es in erster Linie die hochqualifizierten Mitarbeiter sind, die das Unternehmen schnell wieder verlassen. Sie haben andere Optionen und flüchten in angenehmere Arbeitsumfelder.
Zusammenfassend lässt sich sagen:
Arschlöcher richten in ihren Unternehmen einen enormen Schaden an, insbesondere wenn sie in Führungspositionen gelangen.
(3) Unternehmen sollten sich selbst und ihren Mitarbeitern einen Gefallen tun und konsequent die „Keine Arschlöcher“-Regel anwenden.
Viel zu oft werden Arschlöcher am Arbeitsplatz toleriert. Gehässigkeiten und Wutausbrüche werden als Charakterschwächen abgetan. Arschlöcher werden verteidigt, weil sie talentiert, klug oder schwer zu ersetzen sind.
Laut dem Autor sollten Unternehmen aber konsequent Arschlöcher aussieben, von Anfang an.
Sutton empfiehlt, alle Mitarbeiter als inkompetent zu betrachten, die ihre Kollegen regelmäßig herabsetzen und ihnen das Gefühl geben, schlechtere Menschen zu sein. Diese Regel sollte völlig unabhängig von sonstigen Qualifikationen angewendet werden.
Man solle sich dabei immer bewusst machen, dass die eigenen Mitarbeiter es verdient haben, jederzeit mit Respekt behandelt zu werden. Nur so gelingt es, im eigenen Unternehmen Loyalität und hohe Arbeitszufriedenheit sicherzustellen.
Das Leben ist zu kurz, um sich mit Arschlöchern zu umgeben.
Um diese Regel konsequent umzusetzen, sollte man sie öffentlich machen, so wie Google, das seine Mitarbeiterpolitik im Slogan „Don’t be evil“ zum Ausdruck bringt.
Diese Regel sollte übrigens auch auf Kunden und Klienten angewendet werden, denn auch deren Verhalten wirkt sich auf die Zufriedenheit und Arbeitsmoral der eigenen Mitarbeiter aus. Einige amerikanische Fluglinien führen z.B. schwarze Listen, auf denen Kunden landen, die wiederholt Angestellte herabgesetzt oder schlecht behandelt haben.
Zusammenfassend lässt sich sagen:
Unternehmen sollten sich selbst und ihren Mitarbeitern einen Gefallen tun und konsequent die „Keine Arschlöcher“-Regel anwenden.
(4) Je geringer die Status-Unterschiede in einem Unternehmen, desto weniger Arschloch-Verhalten.
In vielen Studien konnte gezeigt werden, dass Menschen, die sich als statushöher wahrnehmen als andere zu arschloch-haftem Verhalten neigen:
- Sie reden mehr als andere,
- nehmen sich, was sie wollen, ohne Rücksicht auf andere,
- betrachten andere zunehmend als Mittel zum Zweck
- und schreiben Erfolge ihrer Gruppe vor allem sich selbst zu.
In einer Studie sollten Studenten z.B. tagespolitische Themen in Dreier-Gruppen diskutieren, wobei einer der drei zufällig ausgewählt wurde, die Äußerungen der anderen zu bewerten. Es zeigte sich, dass dieser „mächtigere“ Student konsequent häufiger dazu neigte, sich über Regeln und soziale Standards hinwegzusetzen. Auf dem Tisch stand eine Schale mit Keksen, und der „mächtige“ Student nahm sich häufig den letzten Keks, kaute häufiger mit offenem Mund und krümelte mehr als die anderen Teilnehmer.
Dieser Effekt lässt sich in Unternehmen sehr ausgeprägt beobachten. Je größer die soziale Distanz (also das Machtgefälle im Unternehmen), desto häufiger werden rangniedrigere Mitarbeiter respektlos behandelt und herabgesetzt.
Wer also arschlochhaftes Verhalten konsequent ausmerzen will, der sollte in seinem Unternehmen die sozialen Distanzen reduzieren. Das führt zu zivilerem Verhalten, besonders bei Führungskräften.
Eine Möglichkeit, das zu tun, besteht darin, die Lohnunterschiede möglichst gering zu halten. Sie sind das deutlichste Zeichen für Statusunterschiede, und indem dieser Unterschied entfernt wird, sehen alle Mitarbeiter, dass jeder gleich viel wert ist und entsprechend mit dem gleichen Respekt behandelt werden sollte.
Je geringer die Status-Unterschiede in einem Unternehmen, desto weniger Arschloch-Verhalten.
(5) Wer selbst kein Arschloch werden will, sollte den Umgang mit anderen Arschlöchern meiden.
Arschlochtum ist hochgradig ansteckend.
Es reicht schon, uns mit Menschen zu umgeben, die ständig wütend aussehen, um uns selbst spürbar wütender zu machen.
Ein Sprichwort sagt: Ein weiser Mann, der sich mit schlechten Menschen umgibt, wird zum Idioten.
Und tatsächlich lässt sich beobachten, dass sich Menschen in Umfeldern, wo respektloser und herablassender Umgang herrscht, ebenfalls respektloses und herablassendes Verhalten angewöhnen. Und die negative Abfärbung auf den eigenen Charakter überträgt sich auch auf andere Lebensbereiche wie das Privatleben.
Daher ist es unter allen Umständen wichtig, solche Gruppen zu vermeiden und sich von Arschlöchern so fern wie möglich zu halten.
Wenn es sich um Menschen handelt, denen wir uns nicht vollständig entziehen können, so sollten wir doch sicherstellen, dass wir den Kontakt auf ein Minimum beschränken, um ihren schädlichen Einfluss auf uns so gering wie möglich zu halten.
Schon Da Vinci kam zu dem Schluss, es sei leichter, am Anfang als am Ende zu widerstehen. Wenn wir erst einmal Zeit und Energie in eine Gruppe oder eine persönliche Beziehung zu einem Arschloch investiert haben, fällt es uns schwerer, uns zurückzuziehen.
Daher sollten wir solche Kontakte sofort unterbinden, sobald wir merken, dass wir es mit Arschlöchern zu tun haben, die unsere eigenen Umgangsformen verderben und uns zu Mistkerlen werden lassen.
Entsprechend gilt:
Wer selbst kein Arschloch werden will, sollte den Umgang mit anderen Arschlöchern meiden.
(6) Unternehmen fahren besser mit einer Kultur der Kooperation, als einem ausgeprägten internen Wettbewerb.
Allgemein lässt sich das Leben in Organisationen als eine Mischung aus Kooperation und Wettbewerb zwischen Individuen (und Gruppen) sehen.
Ein gewisses Maß an internem Wettbewerb ist durchaus wichtig, denn es ist oft die Triebfeder für Verbesserung und Weiterentwicklung.
Es zeigt sich aber, dass diejenigen Organisationen nicht nur besonders zivilisiert, sondern auch leistungsfähig sind, in denen extreme Formen inter-individuellen Wettbewerbs unterbunden werden.
Wenn Gruppen und Individuen kooperieren und Stärkere den Schwächeren helfen, sind die Arbeitsergebnisse am Ende die besseren, als wenn jeder nur auf sein eigenes Fortkommen achtet.
Kooperationen lassen sich begünstigen, z.B. durch den Sprachgebrauch in einem Unternehmen. Zum einen ist es sinnvoll, statt kriegerisch-aggressiver Sprache („Feind“, „Schlacht“ usw.) eher Vokabeln wie „helfen“, „fair“ oder „Gemeinschaft“ zu verbreiten.
Genauso positiv wirkt es sich aus, in Begriffen des „wir“ und „uns“ zu sprechen, und nicht in „die“ und „ich“. Diese Art der Kommunikation bringt die Mitarbeiter dazu, mehr über Gemeinsamkeiten als Unterschiede nachzudenken und weniger Energie auf interne Rivalitäten zu verwenden.
Unternehmen fahren besser mit einer Kultur der Kooperation, als einem ausgeprägten internen Wettbewerb.
(7) Um uns vor Arschlöchern zu schützen, müssen wir lernen, emotionale Distanz aufzubauen und ihr Verhalten nicht persönlich zu nehmen.
In vielen Unternehmen lässt sich der Kontakt mit Arschlöchern nicht gänzlich vermeiden. Daher ist es wichtig, über Strategien zu verfügen, den Umgang mit ihnen unbeschadet zu überstehen.
Wichtig ist dabei, dass wir uns nicht von den Kommunikationsmustern des Arschlochs anstecken und auf dessen Niveau herunter ziehen lassen. Wir sollten ruhig bleiben, auf Aggressionen nicht mit eigenen Aggressionen reagieren und uns generell eine größtmögliche Distanz im Umgang mit Mistkerlen angewöhnen.
Emotionale Distanz lässt sich aufbauen, indem wir Interaktionen mit Arschlöchern optimistisch bewerten:
- Das Problem ist nur temporär.
- Es ist nicht von uns verursacht.
- Es wird nicht den Rest unseres Lebens ruinieren.
Wenn wir eine unangenehme Situation antizipieren, ist es besonders hilfreich, auf das Beste zu hoffen, aber auf das Schlimmste vorbereitet zu sein. Unser Glück bzw. Unglück entsteht in erster Linie aus der Diskrepanz zwischen dem, was wir erwarten und dem, was wir tatsächlich erleben. Daher ist es sehr hilfreich, beim Umgang mit einem Arschloch immer auf das Schlimmste gefasst zu sein, dies aber klar der anderen Person zuzuschreiben und nicht uns selbst.
Es handelt sich schließlich nicht um unser Problem, sondern liegt in der Person begründet, mit der wir es zu tun haben.
Um uns vor Arschlöchern zu schützen, müssen wir lernen, emotionale Distanz aufzubauen und ihr Verhalten nicht persönlich zu nehmen.
(8) Arschlochtum hat seine Vorzüge, Mitarbeiter lassen sich jedoch besser durch positive Anreize motivieren.
Dass es für das eigene Fortkommen nützlich sein kann, hart und rücksichtslos zu sein, lässt sich nicht nur in Pavian-Gruppen oder Mafia-Organisationen beobachten. Auch unter Managern lässt sich beobachten, wie Kontrahenten durch Aggressionen eingeschüchtert und mit beißender Kritik in der Hackordnung nach unten gestoßen.
Interessanterweise lässt sich beobachten, dass Menschen, die besonders aggressiv und rücksichtslos auftreten, oft als unsympathisch und kalt, aber auch als kompetenter wahrgenommen werden.
Dies lässt sich evolutionär erklären: In unserer Entstehungsgeschichte hat sich die Verknüpfung von hohem Status und Aggressivität in unseren Gehirnen eingeprägt. Der aggressivste Affe in der Gruppe war früher häufig der, der das Sagen hatte.
Das heißt jedoch nicht, dass Unternehmen gut damit fahren, ihre Führungsriegen aus amtlichen Arschlöchern zu rekrutieren und aggressives Verhalten zu tolerieren.
Z.B. ist wichtig zu sehen, dass die Fähigkeiten, die einen Manager sich gegen Kontrahenten durchsetzen lässt, noch lange nicht die Fähigkeiten sind, seine Mitarbeiter zu guter Arbeit zu motivieren.
Mitarbeiter funktionieren am besten, wenn man ihnen Belohnungen und Anerkennung in Aussicht stellt.
Und im Gegensatz zu Bestrafung und Aggression wirken positive Arbeitsanreize auch dann, wenn der Vorgesetzte gerade nicht anwesend ist. Die Macht eines Tyrannen funktioniert nur, wenn er die Arbeit seiner Untergebenen auch aktiv überwacht.
Zudem ist es meist so, dass kompetente Mitarbeiter sich lieber einen zivilisierten Arbeitsplatz aussuchen als einen, in dem Arschlöcher das Sagen haben.
Arschlochtum hat also seine Vorzüge, Mitarbeiter lassen sich jedoch besser durch positive Anreize motivieren.
(9) Die „Keine Arschlöcher“-Regel sollte jeder konsequent in seinem Leben anwenden.
Wie jeder aus eigener Erfahrung weiß, reichen ein paar amtliche Arschlöcher, um die Stimmung zu verderben, selbst wenn alle anderen Anwesenden herzlich und respektvoll miteinander umgehen.
Negative Erfahrungen wirken sich fünfmal stärker auf unsere Stimmung aus als positive.
Daher ist es wichtig, die „Keine Arschlöcher“-Regel nicht nur anzuerkennen, sondern auch konsequent im eigenen Leben, ob privat oder am Arbeitsplatz, umzusetzen.
Wir sollten einerseits keinerlei Toleranz gegenüber Arschlöchern walten lassen.
Andererseits sollten wir selbst Sorge dafür tragen, uns nicht wie ein Arschloch zu benehmen. Wir sollten hin und wieder einen ehrlichen Blick in den Spiegel werfen und uns fragen, in welchen Situationen wir uns wie Arschlöcher benehmen.
Es geht dabei vor allem um die kleinen Momente im Leben: Wer kein Arschloch sein möchte, sollte zu jedem Zeitpunkt den Menschen vor sich mit Respekt und Nettigkeit behandeln.
Die „Keine Arschlöcher“-Regel sollte jeder konsequent in seinem Leben anwenden.